Handlungsfeld 2
Schutzgebiete, Vernetzung und Wildnis
Schutzgebiete leisten einen unverzichtbaren Beitrag zum Erhalt von Arten und Lebensräumen. In einer stark fragmentierten und intensiv genutzten Landschaft bieten sie wertvolle Rückzugsräume für die biologische Vielfalt. Neben bereits bestehenden Schutzkonzepten konnte vor ca. 30 Jahren durch die Etablierung des europäischen Schutzgebietnetzes sowie seine Artenschutzvorgaben erreicht werden, dass heute 15,5 % der Landfläche Deutschlands als Natura-2000-Gebiete vergleichsweise wirksam geschützt sind und als Rückzugsraum für viele gefährdete Arten dienen. Die Maßnahmen zeigen, dass Naturschutz wirkt und intakte Ökosysteme auch das Leben der Menschen vor Ort nachhaltig verbessern. Naturschutzgebiete, Nationalparks, Biosphärenreservate, Naturparks, Natura-2000-Gebiete und weitere Schutzgebietskategorien adressieren dabei unterschiedliche Ziele des Naturschutzes.
Neben der Einrichtung und Sicherung von Schutz- und Wildnisgebieten ist deren Vernetzung essenziell für den Erhalt der Biodiversität. Ziel ist, Schutzgebiete weiterzuentwickeln, einen funktionalen Biotopverbund zu etablieren und mehr Wildnis in Deutschland zu schaffen. Dabei sind Kooperationen mit Landeigentümerinnen und -eigentümern sowie Bewirtschaftenden, etwa über Landschaftspflegeverbände, entscheidend.

Ziel
2.1
Fortentwicklung von Schutzgebieten in Deutschland
Bis 2030 werden die Schutzgebiete in Deutschland effektiv gemanagt und Deutschland wird sich im Sinne der EU Biodiversitätsstrategie für 2030 und des Globalen Biodiversitätsrahmens (GBF) dafür einsetzen, 30% Schutzgebiete (an Land und Meer) zu erreichen und diese wirksam zu schützen. Ein strenger Schutz wird für ein Drittel dieser Flächen angestrebt.
In Deutschland sind bereits große Anteile der Flächen an Land und im Meer geschützt. Diese Gebiete leisten wichtige Beiträge insbesondere für die Erhaltung der Biodiversität, aber auch für die Resilienz der Ökosysteme für den natürlichen Klimaschutz und die Klimaanpassung. Diese gilt es für die Zukunft zu sichern und zu stärken, zugleich aber auch angemessen die Interessen u.a. der Landnutzer zu berücksichtigen. Daher wird ein besonderer Schwerpunkt auf die Fortentwicklung der Qualität bestehender geschützter Gebiete gelegt. Das effektive Management dieser Gebiete stellt sicher, dass die geschützten Lebensräume und biodiversitätsfördernden Strukturen sowie die wichtigen Beiträge dieser Gebiete zum natürlichen Klimaschutz gesichert bzw. gestärkt und bei Bedarf wiederhergestellt werden. Zu den streng geschützten Gebieten zählen nicht nur Prozessschutzgebiete wie Nationalparke oder Waldschutzgebiete ohne Nutzung, sondern auch biodiversitätsreiche Gebiete mit nutzungsabhängigen Ökosystemen, die auf ein aktives Management angewiesen sind, um die Erhaltungsziele zu erreichen (wie z.B. Kalk-Magerrasen).
Ziel
2.2
Erhaltung und Verbesserung von Natura 2000-Lebensräumen und -Arten
Bis 2030 wird erreicht, dass sich die Erhaltungstrends und Erhaltungszustände aller Lebensräume und Arten, die in der Vogelschutz- und der FFH-Richtlinie aufgeführt sind, nicht mehr verschlechtern. Mindestens 30 % der Arten und Lebensräume, die sich nach den FFH- und Vogelschutzberichten 2019 nicht in einem günstigen Zustand befinden, weisen einen günstigen Zustand oder einen positiven Trend auf.
Weniger als ein Drittel der FFH-Lebensraumtypen ist in dem von der EU geforderten günstigen Erhaltungszustand, mehr als zwei Drittel weisen einen ungünstigen Erhaltungszustand auf. Bei den Arten weist ein Viertel einen günstigen Erhaltungszustand auf, während fast zwei Drittel einen ungünstigen Erhaltungszustand haben. Dieses Ziel trägt zur Umsetzung der Ziele und Anforderungen der EU-Naturschutzrichtlinien bei, wonach ein günstiger Erhaltungszustand der Lebensräume und Arten bewahrt oder wiederhergestellt sowie Verschlechterungen der Lebensräume oder Arten vermieden werden sollen.
Das Ziel ist Bestandteil der EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 und wird daher bereits durch die nationalen Beiträge zur Verbesserung der Erhaltungszustände adressiert.
Ziel
2.3
Weiterentwicklung eines funktionalen Biotopverbunds
Bis 2030 sind die wichtigsten länderübergreifenden Lebensraumkorridore (Biotopverbundachsen) etabliert und gesichert, so dass ein funktionaler länderübergreifender Biotopverbund auf mindestens 15% der Landesfläche gewährleistet ist.
Der länderübergreifende Biotopverbund betrifft alle terrestrischen Ökosysteme, auch den Siedlungsbereich. Die überregionale, aber auch lokale Vernetzung von wertvollen Lebensräumen und Schutzgebieten ist eine zentrale Voraussetzung für die Erhaltung der biologischen Vielfalt. Ziel ist ein länderübergreifender Verbund von wertvollen Lebensräumen gemäß § 21 BNatSchG, der u.a. die genetische Vielfalt erhält und das Wandern von Arten – auch unter den Bedingungen des Klimawandels – ermöglicht und damit zu einem europaweiten „Naturschutznetz“ im Sinne der Europäischen Wiedervernetzungskarte beiträgt. Eine besondere Bedeutung kommt dabei Wiedervernetzungsabschnitten mit hoher Priorität, internationalen Schnittstellen des Biotopverbundes, wichtigen Vernetzungsstrukturen in stark zerschnittenen Lebensräumen und Verbindungsflächen in bandartigen Siedlungsstrukturen („Grünzäsuren“) zu. Nach § 21 Absatz 4 BNatSchG sind die erforderlichen Kernflächen, Verbindungsflächen und Verbindungselemente durch Erklärung zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Absatz 2, durch planungsrechtliche Festlegungen, durch langfristige vertragliche Vereinbarungen oder andere geeignete Maßnahmen rechtlich zu sichern, um den Biotopverbund dauerhaft zu gewährleisten. Dabei kommt der Raumordnung auf Länder- und regionaler Ebene und der Verkehrswegeplanung eine besondere Bedeutung bei der planerischen Sicherung des Biotopverbundes zu, z.B. durch Erhaltung und Optimierung von Engstellen im Lebensraumnetz oder durch Schaffung von Wiedervernetzungsabschnitten.
Ziel
2.4
Entwicklung und Sicherung von mehr Wildnis in Deutschland
Bis 2030 entwickelt sich auf mindestens 2 % der Fläche Deutschlands die Natur in großflächigen Wildnisgebieten, die zusammen mit kleineren Flächen dazu beitragen, dass Prozessschutzflächen den überwiegenden Teil der streng geschützten Gebiete im Sinne der EU-Biodiversitätsstrategie ausmachen.
Derzeit sind in Deutschland etwa 0,6 % der Landesfläche als großflächige Wildnis gesichert z.B. an Küsten, in Auen, Wäldern, Mooren, im Hochgebirge sowie auf ehemaligen Truppenübungsplätzen oder Bergbaufolgelandschaften. Etwa 3,1 % der Waldfläche Deutschlands sind als Flächen mit natürlicher Waldentwicklung dauerhaft gesichert (siehe Ziel 7.4: Natürliche Waldentwicklung (NWE 5). Flächen, auf denen sich die Natur dauerhaft nach ihren eigenen Regeln entwickeln kann, sind unverzichtbar für den Erhalt der biologischen Vielfalt. Darüber hinaus können auf diesen Flächen Erkenntnisse darüber gewonnen werden, welche Strategien im Klimawandel zu stabilen Ökosystemen führen und wie die CO2-Senkenfunktion von Wäldern, Auen oder Mooren nachhaltig und natürlich gesteigert werden kann.
Wildnisgebiete im Sinne der NBS sind ausreichend große, (weitgehend) unzerschnittene, nutzungsfreie Gebiete, die dazu dienen, einen vom Menschen unbeeinflussten Ablauf natürlicher Prozesse dauerhaft zu gewährleisten (Nr. 1 Richtlinie zur Förderung der Wildnisentwicklung in Deutschland, vom 24.6.2019). Sie entsprechen den Qualitätskriterien für großflächige Wildnisgebiete. Im dicht besiedelten Deutschland ist das Potenzial für großflächige Wildnis- und Wildnisentwicklungsgebiete > 1.000 ha allerdings begrenzt (Rosenthal, G., Mengel, A,. Reif, A., Opitz, S., Schoof, N. & Reppin, N. (2015): Umsetzung des 2 % - Ziels für Wildnisgebiete aus der Nationalen Biodiversitätsstrategie. Abschlussbericht des gleichnamigen F+E-Vorhabens (FKZ 3512 85 0300 unter Integration von Zusatzauswertungen, FKZ 3515 85 0900). BfN-Skripten 422 (2015), 210 S.). Daher leisten auch kleinere Wildnisgebiete wichtige Beiträge zur Zielerreichung bzw. zu einem übergreifenden Biotopverbund, z.B. als Trittsteine, Vernetzungselemente oder als biologische „Hot Spots“.
Maßnahmen
abgeschlossen
in Umsetzung
geplant
2.1 Fortentwicklung von Schutzgebieten in Deutschland
geplant
2.1.1
Bis 2025 wird gemeinsam mit den Ländern ein „Aktionsplan Schutzgebiete“ aufgelegt, der Maßnahmen zur Zielerreichung, d.h. Maßnahmen zur Fortentwicklung des deutschen Schutzgebietsnetzes und zur Umsetzung der qualitativen und quantitativen Anforderungen an Schutzgebiete in Deutschland bis 2030 konkretisieren wird, darunter u.a. Maßnahmen in folgenden Bereichen:
- Stärkung bestehender geschützter Gebiete durch die Verbesserung der Managementqualität und -effektivität,
- Verbesserung der Vernetzung zwischen den Schutzgebieten, und Integration in die umgebenden Landschaften unter anderem durch die Stärkung des Umgebungsschutzes,
- Stärkung der Schutzgebiete für den natürlichen Klimaschutz und die Klimaanpassung,
- Stärkung der Schutzgebiete durch Maßnahmen zur Wiederherstellung,
- Erhöhung der Akzeptanz und Wertschätzung von Schutzgebieten.
Darüber hinaus werden folgende Maßnahmen ergriffen:
geplant
2.1.2
Bis 2025 werden für den Natürlichen Klimaschutz in Schutzgebieten KlimaManagerinnen und -Manager gefördert, die die zuständigen Naturschutzverwaltungen, bestehende Schutzgebietsverwaltungen oder andere Vor-Ort-Einrichtungen bei der Konzipierung von Plänen und Maßnahmen für den Natürlichen Klimaschutz unterstützen können.
geplant
2.1.3
Bis 2026 werden in der Umsetzung des Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz (ANK) notwendige Renaturierungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen für degradierte Ökosysteme bzw. Maßnahmen zur Resilienzsteigerung von empfindlichen Lebensräumen auch innerhalb von Schutzgebieten umgesetzt. Das ANK leistet damit auch einen Beitrag zur Erreichung von Wiederherstellungszielen auf Ebene der EU und international (siehe auch ANK-Maßnahmen 1.3, 4.1, 4.4, 5.2, 5.4).
geplant
2.1.4
Bis 2026 werden im Rahmen des mit den Ländern gemeinsam erarbeiteten Aktionsplans Schutzgebiete Maßnahmen aufgelegt, die einen erhöhten Anteil von Wildnis in Großschutzgebieten (Naturparke, Biodiversitätsreservate, Nationalparke etc.) zum Ziel haben.
geplant
2.1.5
Bis 2025 werden die Schutzgebietsziele für die marinen Gebiete, inklusive 10 % strenger Schutz, sowie effektive Maßnahmen zur Zielerreichung gemäß EU-Biodiversitätsstrategie konkretisiert.
2.2 Erhaltung und Verbesserung von Natura 2000-Lebensräumen und -Arten
geplant
2.2.1
Bis 2027 werden durch eine zukünftige Änderung des Bundeswaldgesetzes solche Maßnahmen privilegiert, die dem Management von Offenland-Lebensraumtypen nach Anhang I der FFH-Richtlinie dienen (wie Entbuschung).
geplant
2.2.2
Bis 2026 werden für Arten und Lebensraumtypen, die sich nach den Ergebnissen des letzten FFH- bzw. Vogelschutzberichts in einem ungünstigen Erhaltungszustand befinden, Ursachen für den ungünstigen Erhaltungszustand sowie gezielte Maßnahmen zur Erhaltungszustandsverbesserung (einschließlich notwendiger Wiederherstellungsmaßnahmen) im Rahmen von Programmen (z.B. Artenhilfsprogrammen) und begleitende Forschung erarbeitet und etabliert. Bei den entsprechenden Maßnahmen soll geprüft werden, ob der Einsatz/die Eignung einheimischer Nutztierrassen vorrangig berücksichtigt werden kann.
geplant
2.2.3
Bis 2027 werden für in den letzten FFH-und Vogelschutzberichten unbekannt bewertete Schutzgüter Maßnahmen zu einer Auflösung der „unbekannt“-Bewertung (z.B. Verbesserung des Monitorings, Erarbeitung geeigneter Monitoringverfahren) erarbeitet und etabliert.
2.3 Weiterentwicklung eines funktionalen Biotopverbunds
geplant
2.3.1
Bis 2025 liegt eine Aktualisierung der länderübergreifenden Lebensraumkorridore vor.
geplant
2.3.2
Bis 2027 sind Wildnisgebiete in die Regelung zum Länderübergreifenden Biotopverbund (§ 21 Abs. 3 BNatSchG) integriert.
geplant
2.3.3
Bis 2027 wird das Bundeskonzept Grüne Infrastruktur als wichtige fachliche Grundlage des Naturschutzes für alle raumrelevanten Planungen des Bundes und zur Unterstützung der Planungen auf Landes-, regionaler und kommunaler Ebene aktualisiert.
geplant
2.3.4
Bis 2026 werden bestehende öffentliche Vorkaufsrechte konsequent genutzt und geprüft, inwieweit weitere Vorkaufsrechte etabliert werden können, um Flächen verfügbar zu haben.
geplant
2.3.5
Bis 2026 werden im Rahmen des Aktionsplans Schutzgebiete Maßnahmen zur verbesserten Einbindung von Schutzgebieten in das Verbundsystem entwickelt (siehe auch Maßnahmen zu Ziel 2.1).
2.4 Entwicklung und Sicherung von mehr Wildnis in Deutschland
geplant
2.4.1
Bis 2025 werden die Förderprogramme für mehr Wildnis in Deutschland – der Wildnisfonds im Bundesnaturschutzfonds, das Programm KlimaWildnis des ANK (ANK 4.1) sowie die KlimaWildnisZentrale – etabliert und so ausgebaut sein, dass die Wildnisentwicklung auf allen Ebenen optimal unterstützt wird.
geplant
2.4.2
Bis 2027 werden die rechtlichen Möglichkeiten zur Wildnisentwicklung besser ausgeschöpft sowie Neben- und Folgekosten bei Wildnis bzw. Prozessschutzgebieten verringert; u.a. durch Prüfung von Möglichkeiten einer stärkeren Verankerung des Prozessschutzgedankens in Kapitel 4 des BNatSchG und der Verringerung der Abgabenlast für Wildnisgebiete (siehe auch ANK-Maßnahme 4.2).
geplant
2.4.3
Bis 2026 ist auf Bund-Länder-Ebene Klarheit geschaffen, unter welchen Bedingungen Prozessschutz als Kompensationsmaßnahme anerkannt werden kann.
geplant
2.4.4
Bis 2026 werden auf Bundesebene der Austausch von Fachleuten „Wildnis im Dialog“ und die Bund-Länder-Gespräche fortgeführt und verstetigt.