Handlungsfeld 1
Artenschutz
Aufgrund der komplexen Abhängigkeiten zwischen Tieren, Pflanzen und Lebensräumen ist der Schutz und Erhalt einzelner Arten wichtig, um die Ökosystemfunktionen zu sichern. Hier gibt es aus den letzten Jahren mehrere Erfolgsgeschichten zu berichten. Neben der Wiederausbreitung größerer Säugetiere wie Wildkatze, Kegelrobbe oder Biber hat sich auch die Bestandssituation von ausgewählten Pflanzenarten und einiger Vogelarten durch Artenhilfsprogramme verbessert. Zum Beispiel beim Schwarzstorch, Seeadler oder Steinkauz.
Die nationalen Roten Listen zeigen jedoch, dass noch viele heimische Arten bedroht oder ausgestorben sind. Neben den Insekten sind die Bestände weiterer wildlebender und domestizierter Artengruppen stark zurückgegangen. Darüber hinaus hat die innerartliche Vielfalt vieler Arten erheblich abgenommen. Um dem weiteren Rückgang effektiv entgegenzutreten, werden in diesem Handlungsfeld Ziele formuliert, die zu einem wirksamen Schutz beitragen sollen.

Ziel
1.1
Trendumkehr bei Artenvielfalt und innerartlicher Vielfalt
Bis 2030 ist der Rückgang der heute vorhandenen Vielfalt wildlebender, in Deutschland natürlich vorkommender Arten und ihrer innerartlichen Vielfalt deutlich verringert.
Bis 2030 ist die Erhaltung einer breiten innerartlichen Vielfalt von Nutzpflanzen und einheimischen Nutztierrassen gesichert.
Bis 2050 hat sich die Bestandssituation wildlebender, in Deutschland natürlich vorkommender Arten erheblich verbessert, das Aussterberisiko auf regionaler Ebene ist minimiert und die innerartliche Vielfalt ist erhalten. Um die Effektivität des Artenschutzes zu steigern, wirkt die Bundesregierung auf eine weitere rechtsverbindliche Standardisierung im Artenschutz hin.
Hinter dem Ziel steht die Vision, dass Deutschland über eine gebietstypische und natürlich vorkommende Artenvielfalt in für die einzelnen Lebensräume charakteristischer Ausprägung verfügt. Die Populationen der jeweiligen Arten befinden sich in einem sich selbst erhaltenden oder wachsendem Zustand, in nachhaltig gesicherten, vernetzten Lebensräumen in ausreichender arten- und lebensraumspezifischer Größe und sind für die Menschen nutz- und erlebbar. Die innerartliche bzw. genetische Vielfalt drückt sich in einer ausreichenden Zahl und dem Zustand der Populationen der Arten aus, inklusive Sorten- und Nutztierrassen (vgl. auch Rote Liste einheimischer Nutztierrassen).
Neben der In-situ-Erhaltung spielt auch die Ex-situ-Erhaltung als komplementäre Erhaltungsmaßnahme eine zunehmend wichtige Rolle für die Erhaltung der Artenvielfalt und insbesondere der innerartlichen Vielfalt.
Methoden-Standards im Artenschutz ermöglichen eine konsistente und transparente Anwendung naturschutzrechtlicher Vorgaben, wodurch Schutzmaßnahmen zielgerichteter und effektiver umgesetzt werden können. Gleichzeitig fördern Standards die Planungssicherheit und verkürzen die Dauer von Verfahren.
Das Nationale Artenhilfsprogramm
Das 2017 beschlossene Bundesprogramm „Blaues Band Deutschland“ – ein Gemeinschaftsprojekt von Bundesumwelt- und Verkehrsministerium – soll durch Renaturierung von Bundeswasserstraßen und Auen einen Biotopverbund von nationaler Bedeutung schaffen.
Die Rote Liste einheimischer Nutztierrassen
Laut nationalem Tierzuchtgesetz (TierZG, 2019) legt die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) den Gefährdungsstatus der einheimischen Nutztierrassen in Zusammenarbeit mit dem Fachbeirat Tiergenetische Ressourcen auf Basis wissenschaftlicher Methoden fest.
Ziel
1.2
Trendumkehr bei der Abnahme der Insekten und ihrer Artenvielfalt
Bis 2030 wird die Anzahl der Insektenarten, deren Bestände im kurzfristigen Trend der Roten Listen rückläufig sind, mindestens gehalten sowie der Verlust an Biomasse der Insekten gestoppt.
Insekten machen mit derzeit ca. 33.000 bekannten Arten in Deutschland einen Großteil der Artenvielfalt aus. Durch den Schutz von Insektenarten und Artengemeinschaften werden auch die ökologischen Funktionen und Ökosystemleistungen in vielen Land- und Süßwasserlebensräumen geschützt. Gleichzeitig ist dadurch mit einer Verbesserung des Zustands von anderen Tier- und Pflanzengruppen zu rechnen, die von Insekten direkt abhängig sind (z.B. als Nahrungsquelle für Vögel, Bestäubung von Wild- und Kulturpflanzen). Artenreiche Insektengemeinschaften können zudem viele Nützlinge beinhalten und spielen eine wichtige Rolle bei der Bestäubung sowie bei der natürlichen/biologischen Schädlingsregulierung insbesondere im integrierten Pflanzenschutz sowie im ökologischen Landbau.
Das Aktionsprogramm Insektenschutz
Mit der Verabschiedung des Aktionsprogramms Insektenschutz (API) hat die Bundesregierung das bisher umfangreichste Maßnahmenpaket zum Schutz von Insekten und ihrer Artenvielfalt beschlossen. Ziel ist, eine Trendumkehr beim Rückgang der Insekten und ihrer Artenvielfalt zu erreichen.
Die Roten Listen gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands
Die vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) herausgegebenen Roten Listen gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands werden seit 2006 nach einer einheitlichen Methodik erstellt. Die Roten Listen informieren als wissenschaftliche Fachgutachten über die Gefährdungssituation von Arten.
Ziel
1.3
Umgang mit gebietsfremden Arten
Bis 2030 sind durch effektives Management die Einbringung, Etablierung und Ausbreitung gebietsfremder Arten in Deutschland wesentlich reduziert. Dadurch wird auch dem Invasionspotenzial einiger gebietsfremder Arten konkret entgegengewirkt. Für den Umgang mit natürlich zu- oder zurückwandernden Arten bestehen Strategien und Handlungskonzepte zur Konfliktminimierung und Akzeptanzförderung.
Gebietsfremde Arten können das Potenzial haben, natürlich vorkommende Arten und Lebensräume zu schädigen und damit invasiv zu werden. In der Regel treten solche Schäden erst zeitverzögert auf. Die erste Priorität, liegt daher darauf, aus Vorsorgegründen die Einbringung und Etablierung von gebietsfremden Arten grundsätzlich zu vermeiden. Insbesondere das Auftreten speziell von potentiell invasiven und als invasiv bekannten gebietsfremden Arten (IAS = invasive alien species) muss möglichst früh bzw. vorausschauend erkannt und durch Sofortmaßnahmen angemessen adressiert werden. Dem Schaden, der von bereits etablierten IAS ausgeht, muss anhand konkreter Managementmaßnahmen begegnet werden. Dazu zählt auch - soweit möglich - die Sicherung von Ökosystemfunktionen und Wiederherstellung von bereits geschädigten Ökosystemen. In Siedlungsgebieten können unter bestimmten Umständen gebietsfremde Bäume in einem sich wandelnden Stadtklima eine wichtige Rolle spielen.
Außerdem kann es infolge des Klimawandels erforderlich werden, als Maßnahme der Klimaanpassung und zur Stabilisierung der Wälder gezielt gebietsfremde Herkünfte heimischer Baumarten einzubringen und zu genehmigen, soweit eine Gefährdung von Ökosystemen, Biotopen oder Arten auszuschließen ist.
Maßnahmen
abgeschlossen
in Umsetzung
geplant
1.1 Artenhilfsprogramme
geplant
1.1.1
Bis 2026 wird das nationale Artenhilfsprogramm zusätzlich zu den im Fokus stehenden, vom Ausbau der Erneuerbaren Energien besonders betroffenen Arten, erste Maßnahmen für die im Rahmen der NBS priorisierten Arten umsetzen.
geplant
1.1.2
Bis 2027 wird für alle der bundesweit als bestandsgefährdet eingestuften Arten, für die Deutschland eine hohe oder besonders hohe Verantwortlichkeit hat, und für die prioritären WEL Arten (Wildpflanzen für Ernährung und Landwirtschaft), die Umsetzbarkeit von nationalen Artenhilfsprogrammen und Artenhilfsprogrammen der Länder geprüft und eine Priorisierung vorgenommen, für welche Arten Arten-Aktionspläne aufgestellt werden sollen. Für mindestens 25 % der Arten sind bis 2027 Maßnahmen in der Umsetzung.
geplant
1.1.3
Bis 2027 wird für den länderübergreifenden Austausch aller beteiligten Akteure und als eine Grundlage für eine bessere Evaluierung eine Datenbank aller laufenden Artenhilfsprogramme und -maßnahmen von Bund, Ländern und Verbänden eingerichtet.
1.1 Erhaltung bedrohter Arten und innerartlicher Vielfalt
geplant
1.1.4
Bis 2027 werden 75 % der in Deutschland vom Aussterben bedrohten Gefäßpflanzenarten und solche mit besonderer Verantwortlichkeit Deutschlands in Erhaltungskulturen oder Samenbanken bewahrt (ex-situ-Schutz), von denen mindestens 25 % für Populationsstützungs- und (Wieder-)Ansiedlungsmaßnahmen zur Verfügung stehen.
geplant
1.1.5
Bis 2026 wird ein umsetzungsreifes Konzept zur dauerhaften Sicherung der in Deutschland vom Aussterben bedrohten Gefäßpflanzen und solchen mit besonderer Verantwortlichkeit Deutschlands sowie Wildpflanzen für Ernährung und Landwirtschaft in qualitätsgesicherten Erhaltungskulturen und Samenbanken (ex-situ-Schutz) in botanischen Gärten als Rückversicherung des Artenschutzes vorgelegt.
geplant
1.1.6
Bis 2027 wird der Kenntnisstand zur Artenvielfalt in Deutschland sowie zur innerartlichen Vielfalt insbesondere im Hinblick auf krautige Arten sowie Ackerwildkräuter und Insekten durch Forschungsvorhaben verbessert und Maßnahmen zur Förderung der innerartlichen Vielfalt für Arten entwickelt. Bereits bestehende Monitoringprogramme werden komplementär mit einbezogen.
geplant
1.1.7
Bis 2026 werden Synergien, die sich aus den Handlungsfeldern und Maßnahmen der Nationalen Strategie zu genetischen Ressourcen für Ernährung, Landwirtschaft, Forst und Fischerei (GenRes) des BMEL ergeben, die u.a. zur Erhaltung der Vielfalt der einheimischen Nutztierrassen sowie der Diversität innerhalb der Rassen dienen, genutzt und weiterverfolgt. Dazu werden unter anderem Maßnahmen wie der weitere Ausbau von ex-situ Reserven gefährdeter einheimischer Nutztierrassen in der Deutschen Genbank landwirtschaftlicher Nutztiere und der genomischen Charakterisierung der einheimischen Nutztierrassen ergriffen.
1.1 Umgang mit großen Beutegreifern
geplant
1.1.8
Bis 2026 wird die Akzeptanz für große Beutegreifer durch zielgruppenspezifische Information und Kommunikation u.a. durch Fortsetzung der Dialogreihe Wolf erhöht.
geplant
1.1.9
Bis 2027 und darüber hinaus unterstützt der Bund die Länder, um den ergänzten Praxisleitfaden zur Erteilung artenschutzrechtlicher Ausnahmen beim Wolf, nach dem Wölfe, die zumutbare Herdenschutzmaßnahmen überwunden haben, im Schnellabschussverfahren entnommen werden können, zur Anwendung zu bringen.
geplant
1.1.10
Bis 2027 werden durch Erforschung geeigneter und effektiver Maßnahmen weitergehende Ansätze für die Minimierung des Konfliktpotenzials entwickelt.
1.2 Trendumkehr bei der Abnahme der Insekten und ihrer Artenvielfalt
geplant
1.2.1
Bis 2027 wird das Aktionsprogramm Insektenschutz (API) evaluiert, um mit diesen Ergebnissen bestehende Maßnahmen zu optimieren bzw. neue Strategien zu entwickeln.
geplant
1.2.2
Bis 2027 werden weitere Schutzprojekte für stark gefährdete bzw. vom Aussterben bedrohte Insektenarten ins Leben gerufen.
geplant
1.2.3
Bis 2027 werden Handlungsempfehlungen für Insektenschutzmaßnahmen für Natura-2000-Gebiete erstellt, die eine Berücksichtigung in den bestehenden Managementplänen für Natura-2000-Gebiete finden.
geplant
1.2.4
Bis 2027 wird eine Verordnung erarbeitet, die die Verwendung von Insektenfallen außerhalb geschlossener Räume beschränkt.
1.3 Umgang mit gebietsfremden Arten
geplant
1.3.1
Bis 2025 wird die Umsetzbarkeit einer Rechtsverordnung gemäß § 54 Abs. 4 BNatSchG für eine nationale Liste invasiver Arten zur Ergänzung der Unionsliste geprüft.
geplant
1.3.2
Bis 2027 ist eine Strategie zum Umgang mit zurückkehrenden oder natürlich zuwandernden konfliktträchtigen Arten erarbeitet und Handlungsempfehlungen zu Akzeptanzförderung und Konfliktmanagement sind verfügbar.