Handlungsfeld 9
Binnengewässer, Auen und Moore
Gewässer, Auen und Moore sind zentrale Lebensräume für die biologische Vielfalt. Sie regulieren den Wasser- und Stoffhaushalt, schützen vor Hochwasser und leisten wichtige Beiträge zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel.
Doch viele dieser Ökosysteme sind stark gefährdet: Moore wurden entwässert, Auen verbaut, Flüsse begradigt, Ufer befestigt – natürliche Überflutungsräume fehlen daher vielerorts. Auch Nutzungen wie Binnenschifffahrt, Tourismus und Querbauwerke beeinträchtigen die Gewässerökologie. Gleichzeitig setzen Dürren und Starkregenereignisse diese sensiblen Lebensräume zusätzlich unter Druck. Ziel ist ein effizienteres Management und die Renaturierung von Flüssen, Auen und Mooren, um ihre Funktionen zu stärken und sie widerstandsfähiger gegenüber den Folgen des Klimawandels zu machen.

Die Nationale Wasserstrategie
In der Nationalen Wasserstrategie wird beschrieben, wie bis zum Jahre 2050 und darüber hinaus die Wasserversorgung für Mensch und Umwelt in ausreichender Menge und notwendiger Qualität gesichert werden kann. Die Strategie beschreibt für zehn strategische Themen, wohin Deutschland sich in Richtung zukunftsfähiger Wasserwirtschaft entwickeln will und welche Ziele und Maßnahmen auf dem Weg dorthin verfolgt werden. Die Themen umfassen unter anderem die Wiederherstellung, den Schutz und die dauerhafte Sicherung eines naturnahen Wasserhaushaltes und die verstärkte Anstrengung zum Schutz des Grundwassers und zur Wiederherstellung naturnaher Bäche, Flüsse und Seen.
Intakte Wasserökosysteme wie Flusslandschaften und ihre Auen gehören zu den artenreichsten Lebensräumen in Mitteleuropa, daher trägt auch die Nationale Wasserstrategie zur Erreichung der Ziele dieses NBS-Handlungsfelds bei.
Ziel
9.1
Zustand der Biodiversität in Binnengewässern und Auen
Bis 2030 sind die Artenvielfalt und Landschaftsqualität in Binnengewässern und Auen deutlich gestiegen und haben einen guten Zustand erreicht.
Intakte Gewässer und Auen sind Hotspots der Biodiversität. Sie bieten den Menschen vielfältige Ökosystemleistungen und tragen zum Erhalt und zur Entwicklung von Lebensräumen für selten gewordene Pflanzen und Tiere bei. Um diese Funktion zu verbessern, müssen sich zum Beispiel Natur- und Gewässerschutz noch besser abstimmen, um so win-win-Maßnahmen für die Umsetzung der Natura 2000-Richtlinien und der Wasserrahmenrichtlinie zu identifizieren und umzusetzen oder auch um andere Renaturierungsmaßnahmen planen und durchführen zu können.
Das Bundesprogramm „Blaues Band Deutschland“
Das 2017 von der Bundesregierung beschlossene Bundesprogramm „Blaues Band Deutschland“ ist ein gemeinsames Programm des Bundesumweltministeriums und des Bundesverkehrsministeriums. Ziel ist es, durch Renaturierungsmaßnahmen an Bundeswasserstraßen und ihren Auen einen Biotopverbund von nationaler Bedeutung aufzubauen. Wenig genutzte Nebenwasserstraßen haben aufgrund noch vorhandener naturnaher Gewässerstrukturen ein hohes ökologisches Entwicklungspotenzial, sind aber gleichzeitig für Naturerleben, Freizeit und Erholung von Bedeutung für die Gesellschaft. Aber auch im intensiv genutzten Kernnetz der Bundeswasserstraßen sollen Renaturierungsmaßnahmen als „ökologische Trittsteine" für den Biotopverbund verwirklicht werden, wenn sie mit den verkehrlichen Zielen vereinbar sind. Somit sollen Deutschlands Wasserstraßen wieder naturnäher und miteinander vernetzt werden. Mit dem „Förderprogramm Auen“ können Kommunen, Vereine, Verbände und andere beim Bundesamt für Naturschutz (BfN) Fördermittel beantragen, um Auen entlang der Bundeswasserstraßen als Zentren der biologischen Vielfalt und Achsen des Biotopverbundes naturnah zu entwickeln.Die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) wird gemäß ihrem gesetzlichen Auftrag Maßnahmen im Bereich des wasserwirtschaftlichen Ausbaus, soweit dieser Ausbau für die Zielerreichung der WRRL erforderlich ist, an Bundeswasserstraßen umsetzen. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) wird Renaturierungsmaßnahmen auf Bundesflächen in der Aue durchführen
Ziel
9.2
Durchgängigkeit von Fließgewässern
Bis 2030 sind weitere wichtige Fließgewässerabschnitte in Deutschland längsdurchgängig oder frei fließend.
Die Gewässer in Deutschland sind aufgrund vieler Querbauwerke nicht durchgängig, insbesondere auch im Zusammenhang mit kleinen Wasserkraftanlagen. Vor allem Fische, die über längere Strecken flussauf- und abwärts wandern wie der Lachs oder der Aal, sind auf die stromauf- und stromabwärts gerichtete Durchwanderbarkeit der Gewässer angewiesen, um ihren Lebenszyklus erfolgreich vollenden zu können.
Außerdem bieten durchgängige Gewässer Fischen und anderen aquatischen Lebewesen die Möglichkeit zur Anpassung an klimatische Veränderungen. Die ökologische Durchgängigkeit von Gewässern muss weiter verbessert werden, z.B. durch den Bau von neuen, funktionsfähigen Fischpässen. Darüber hinaus fordert Artikel 9 der EU-Wiederherstellungsverordnung die Wiederherstellung frei fließender Flusskilometer, vorrangig durch die Beseitigung obsoleter Hindernisse.
Ziel
9.3
Revitalisierung von Auen
Bis 2030 verfügen Fließgewässer insgesamt über 10 % mehr natürliche Überflutungsräume (rezente Auen) gegenüber dem Auenzustandsbericht 2021.
Naturnahe Auen sind in Deutschland selten geworden. Fast überall wurde den Flüssen ein enges Korsett angelegt und die Funktionen der Auen wurden erheblich eingeschränkt. Nur noch unter 10 % der flussbegleitenden Auen sind ökologisch intakt. Auen als grüne Infrastruktur sind sowohl für die Hochwasservorsorge als auch für den Wasserrückhalt, insbesondere während Niedrigwasser- und Dürreperioden, von entscheidender Bedeutung. Es müssen daher deutlich mehr Maßnahmen, wie die Rückverlegung von Deichen, die Wiederanbindung von Fluss-Altarmen oder die Wiederbegründung von Auwald umgesetzt werden, um die Auen als natürliche Retentionsräume und Lebensraum für viele seltene Tier- und Pflanzenarten sowie für Auwälder, die nur hier existieren können, zurückzugewinnen.
Ziel
9.4
Wiederherstellung und Schutz von Mooren
Bis 2030 sind alle natürlichen und naturnahen Moore geschützt und mindestens 70 % befinden sich in einem guten Erhaltungszustand oder sind in ihrer Entwicklung gesichert.
Bis 2050 sind zusätzliche 25 % der derzeit entwässerten Moorbodenfläche durch Wasserstandsanhebung und naturschutzfachliche Maßnahmen wieder in einem naturnahen Zustand und unter Schutz gestellt, in ihrer Entwicklung gesichert oder unter land- und forstwirtschaftlicher Nutzung in Form von Paludikulturen.
Natürliche und naturnahe Moore sind in Deutschland nur noch auf einer sehr geringen Fläche und in zumeist kleinen verinselten Restflächen erhalten. Nahezu alle noch intakten Hochmoore sind in Deutschland geschützt, Niedermoore hingegen nur zu einem geringen Teil. Generell befinden sich Moore sehr häufig in einem schlechten Erhaltungszustand. Sie sind direkt oder indirekt von einer Entwässerung sowie diversen anderen schädlichen Einflüssen betroffen. Daher ist ein konsequenter Schutz sowie die Wiederherstellung von natürlichen oder naturnahen Moorkomplexen auf derzeit entwässerten ungenutzten oder genutzten Moorbodenflächen erforderlich. Dauerhafte Wasserstandsanhebung stoppt die Torfzersetzung und ermöglicht perspektivisch einen Torfaufbau und die Speicherung von Kohlenstoff. Eine Vernässung von Moorböden kann neben positiven Klimaschutzaspekten auch auf die biologische Vielfalt wirken – insbesondere für moortypische und moorspezifische Arten. Dies gilt insbesondere für die Wiedervernässung und Wiederherstellung naturnaher Moore, aber auch für die Nutzung von vernässten Mooren als Nassgrünland oder Anbaupaludikultur (z.B. Anbau von Schilf oder Rohrkolben). Für die Erreichung der Ziele nach § 3a des Klimaschutzgesetzes sind jedoch über dieses Ziel hinausgehende Wiedervernässungsmaßnahmen erforderlich. Die Interessen aller direkt und indirekt von der Wiedervernässung betroffenen Akteurs- und Personengruppen sollten über Beteiligungsprozesse gehört und entsprechend berücksichtigt werden.
Die Nationale Moorschutzstrategie
Das Bundeskabinett hat am 9. November 2022 die Nationale Moorschutzstrategie beschlossen und damit den politischen Rahmen für alle Aspekte des Moorschutzes auf Bundesebene für die nächsten Jahre vorgegeben. Die Strategie umfasst zehn Handlungsfelder mit 49 Zielen und 117 Maßnahmen. Im Zentrum der Strategie steht die Wiedervernässung von trockengelegten Mooren und Moorböden sowie ihre klimaverträgliche Nutzung mit langfristiger Perspektive. Beruhend auf der Bund-Länder-Zielvereinbarung zum Klimaschutz durch Moorbodenschutz sollen die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 5 Mio. t CO2-Äquivalente pro Jahr gemindert werden. Gleichzeitig sollen die Maßnahmen die Biodiversität in den Moorregionen fördern.
Der Schutz der Biodiversität stellt neben dem natürlichen Klimaschutz den zweiten Schwerpunkt der Strategie dar. Diese Ziele haben starke Synergien, da die Vernässung von Mooren die moorspezifischen Arten fördert. Nur wenige Prozent der Moore befinden sich noch in einem naturnahen Zustand und in der Folge ist die für Moorgebiete typische Artenvielfalt stark bedroht. Naturnahe Moore sollen daher konsequent geschützt, ihr hydrologischer Zustand verbessert und ihre CO2-Senkenfunktion gestärkt werden. Die Moorschutzstrategie basiert auf dem Konzept der Freiwilligkeit und auf finanziellen Anreizen. Um Freiwilligkeit überzeugend einfordern zu können, wird auch die Vorbildfunktion des Bundes in der Strategie betont.
Maßnahmen
abgeschlossen
in Umsetzung
geplant
9.1 Zustand der Biodiversität in Binnengewässern und Auen
geplant
9.1.1
Ab 2024 erfolgt eine Förderung von Investitionen in die Anpassung wasserwirtschaftlicher Infrastrukturen an die Auswirkungen des Klimawandels sowie eine Förderung von Investitionen und Maßnahmen zur Wiederherstellung, Renaturierung und nachhaltigen Entwicklung von - insbesondere kommunalen - Gewässern, vor allem im Zusammenhang mit dem Management von Starkregen und Trockenheit (siehe auch ANK-Maßnahme 2.2).
geplant
9.1.2
Bis 2026 werden die Länder dabei unterstützt, Renaturierungsmaßnahmen in den Oberflächengewässern zur Verbesserung der Habitatqualität für aquatische Lebensgemeinschaften umzusetzen.
geplant
9.1.3
Bis 2025 wird das Verfahren zur biozönotischen Auenzustandsbewertung an Flüssen in Abstimmung zwischen Bund und Ländern etabliert.
geplant
9.1.4
Bis 2026 wird aufbauend auf den Fördertatbeständen im Förderprogramm Auen zum Bundesprogramm „Blaues Band Deutschland“ die Auenförderung in Abstimmung mit den Ländern sowie die Finanzierung von Renaturierungen auf Auenflächen im Bundeseigentum auf weitere Fließgewässer mit einer besonderen Bedeutung für den Biotopverbund und die Wasserwirtschaft und deren Auen erweitert (siehe auch ANK-Maßnahme 2.3).
geplant
9.1.5
Bis 2026 wird die Ermittlung der Flächenbedarfe für Gewässerentwicklungskorridore eingeleitet (siehe auch ANK-Maßnahme 8.7).
9.2 Durchgängigkeit von Fließgewässern
geplant
9.2.1
Bis 2026 werden nicht mehr benötigte Barrieren in Fließgewässern identifiziert.
geplant
9.2.2
Bis 2027 werden die Länder dabei unterstützt, Querbauwerke in Fließgewässern zu entfernen oder die Durchgängigkeit von Fließgewässern auf andere Weise wiederherzustellen.
9.3 Revitalisierung von Auen
geplant
9.3.1
Bis 2026 sind die ersten Maßnahmen an Bundeswasserstraßen und weiteren geeigneten Bundesliegenschaften umgesetzt, und es liegen weitere gemeinsame Planungen von Projekten für die Vernetzung von Gewässern, Ufern und Auen vor.
geplant
9.3.2
Bis 2026 werden die Haushaltsmittel für das Förderprogramm Auen erhöht und verstetigt; auf den allgemeinen Hinweis zum Haushaltsvorbehalt wird verwiesen.
9.4 Wiederherstellung und Schutz von Mooren
geplant
9.4.1
Ab 2024 werden in Umsetzung des Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz (ANK) Maßnahmen für die Wiedervernässung und Renaturierung naturschutzbedeutsamer Moore gefördert (siehe auch ANK-Maßnahme 1.3).
geplant
9.4.2
Ab 2025 werden in Abstimmung mit den Ländern die bundes- und landesrechtlichen Grundlagen einer Wiedervernässung und nachhaltigen Nutzung von Moorflächen ausgewertet und weiterentwickelt. (siehe auch ANK-Maßnahme 1.1).
geplant
9.4.3
Bis 2026 ergreifen die Bundesbehörden auf den Bundesliegenschaften verstärkt Maßnahmen zum Schutz und zur Wiederherstellung von Mooren, um ihrer in der Moorschutzstrategie verankerten Vorbildwirkung der öffentlichen Hand gerecht zu werden.
geplant
9.4.4
Bis 2027 werden im Rahmen des Forschungsvorhabens „MoorPower“ umfassend die technischen, ökologischen und sozio-ökonomischen Effekte und juristischen Fragen der Kombination von Moorwiedervernässung und Photovoltaik (Moor-PV) untersucht und Handlungsempfehlungen für die konkrete Umsetzung abgeleitet.